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Montag, 14. Januar 2013

Romantik in der Chemie (2)

Wie versprochen wird die herzergreifende Rührseligkeit fortgesetzt. Nach Explosionen, Poetik und chemischen Massenvernichtungswaffen könnte man meinen, der romantische Fundus des gemeinen Chemikers sei erschöpft. Dem ist aber, wie ich im Nachfolgenden dargelegen werde, überhaupt nicht so.
Ein unabdingbarer Punkt im Repertoire eines jeden Verführers sind natürlich Diamanten. Jetzt nehmen wir mal für einen Moment an, man hätte eine wirklich große Menge Geld zur Verfügung. Option eins wäre, einen Diamanten zu kaufen. Das ist aber ziemlich langweilig und außerdem könnte das sogar ein Geisteswissenschaftler hinbekommen, wenn man ihm ein wenig Anleitung gibt und Grundkenntnisse der Mathematik lehrt, damit er an der Kasse auch die richtigen Scheine abgibt. Die interessantere, zweite Option wäre, Flugtickets nach Afrika zu besorgen und während die angebetete Person am Strand in der Sonne liegt, eine Mine im tiefsten Kongo zu kaufen und sich seine Diamanten selbst auszugraben. Das hat schon bedeutend mehr Stil, man muss aber zugegben, dass Geologen hier einen dezenten Vorteil haben könnten (wenn das auch sonst nie der Fall ist). Zusätzlich muss man bedenken, dass das Liebchen in der Zeit, die man Untertage verbringt, den Balzversuchen anderer humadoider Spezies schutzlos ausgeliefert ist. Im großen und ganzen also eine sehr riskante Angelegenheit. Zum Schluss das Beste: Option drei. Man investiert sein gesamtes Geld in Sprengstoff und einen Sack Holzkohle. Letztere zerbröselt man zu Staub, der dann durch die gigantische, die Gewichtskraft der Erdmasse imitierende Druckwelle der Explosion in die Modifikation eines Diamanten überführt wird. Epischer kann man nicht an einen solchen Klunker gelangen. Außerdem hat man in diesem Fall auch noch den "Ich-habs-selbstgemacht-Bonus", den man ausspielen kann (und vertraut mir, der wirkt hier besser als bei den gekrakelten Bildern, die man aus dem Kindergarten kennt). Jetzt machen mir mal wieder eine Schritt zurück in die Realität und stellen fest, dass wir weder genug Geld für eine Diamantmine im Kongo, noch für tonnenweise TNT und noch nicht einmal für einen kleinen Diamantring aus dem nächst besten Juweliergeschäft haben. Verzweifeln? Nicht wenn man Chemiker ist, denn die wissen sich auch in einer solch scheinbar auswegslosen Situation zu helfen. Alles was wir brauchen, ist ein Candle Light Dinner. Wie schon im Post mit dem Titel "Weihnachtsgebäck" dargelegt (der interessierte Leser, möge dort nachschlagen), sind Chemiker sowieso die besten Köche der Welt, es muss also kein teures Restaurant reserviert werden. Der Etat kann daher voll und ganz auf die Auswahl einiger ansprechender Kerzen verwendet werden. Zurecht wird ich der eine oder andere jetzt fragen: "Wo sind denn die Diamanten abgeblieben?" Die Antwort lautet: Sie sind schon auf dem Tisch - vorausgesetzt die Kerzen brennen. Denn der Chemiker weiß, dass in der Flamme einer Wachskerze pro Sekunde über eine Million kleiner Diamanten entstehen. Haken an der Sache: Sie verbrennen auch sofort wieder. Trotzdem sei angemerkt, dass man so bei zwei Kerzen auf einem Tisch mit einer durchschnittlichen Brenndauer von je 30 min jemandem an einem Abend ein Geschenk von über 3,6 Milliarden Diamanten machen kann. Das schafft ein Geologe sein ganzes Leben nicht, egal wie lange er buddelt.
Für alle, die bei solch einem Abendessen jemandem gegenüber sitzen, der sich in der Regel mehr für DSF als für Diamanten interessiert, sei noch erwähnt, dass sich in einer Kerzenflamme auch Buckminsterfullerene finden. Das sind immerhin Fußbälle im Molekularmaßstab!


Buckminster Fulleren, "Buckyball"



Nun genug der Diamanten und Kerzen, wenden wir uns der Welt der Düfte zu. Die Chemie kennt nicht umsonst eine ganze Substanzklasse mit der Bezeichnung "Aromaten". Zugegeben, die meisten davon wollte man sich wohl eher nicht an den Hals sprühen, da sie krebserregend sind oder zumindest im Verdacht stehen, es zu sein. Das nennt man wohl Ironie des Schicksals. Trotzdem gibt es eine unüberblickbare Fülle an mal mehr mal weniger gut riechenden Tinkturen, die - so hoffen wir mal - gesundheitlich unbedenklich sind (zumindest solange man nicht das Pech hat, in die Nähe dieses uns allen bekannten Typs von Frau zu kommen, die scheinbar jeden Morgen ein Bad in Kölnisch Wasser nehmen und daher schon 2 Meilen gegen den Wind olfaktorisch wahrgenommen werden können). Es müssen folglich auch andere Substanzen als Duftstoffe nutzbar sein. Als berühmtes Beispiel picken wir uns ganz bescheiden Chanel No.5 heraus. So ein exquisites Düftchen wird sicherlich eine höchst ausgetüftelte Komposition an unterschiedlichsten Substraten haben, die den Preis rechtfertigt... oder auch nicht. Der wissbegierige Chemiker kam einst auf die Idee, so ein Fläschchen in ein NMR-Spektroskop zu kippen und siehe da: die Kopfnote besteht aus Decanal, Undecanal und Dodecanal. Das sind so derartig einfache Stoffe, dass jeder organische Synthesechemiker zurecht beleidigt wäre, würde man vom ihm verlangen, das Zeug herzustellen. Selbst der Geruch einer einfachen Himbeere ist komplexer....
4-(4-Hydroxyphenyl)-butan-2-on oder auch "Himbeerketon"



Undecanal


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