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Samstag, 2. Februar 2013

pH Wert von Eisen

Der chemisch Interessierte wird sich bei der Überschrift dieses Posts denken: "Metall hat einen pH-Wert? Wusste gar nicht, dass geht, wieder was gelernt." Jeder der schon etwas tiefer in die Materie eingetaucht ist, wird aber wissen, dass das absoluter Schwachsinn ist und per definitionem nicht möglich sein kann. Trotzdem steht es da. Grund dafür, ist eine Aussage, die mir bei meiner Tätigkeit als Tutor einiger Jungchemiker entgegengeschleudert wurde und mich beinahe das Bewusstsein gekostet hätte. Ausgangssituation war die Frage, was die Bausteine eines Atomkerns, Neutronen und Protonen, voneinander unterscheidet. Die gegebene Antwort lautete - und an dieser Stelle sei vorgewarnt, das ist nichts für schwache Herzen: "Die Protonen definieren den pH-Wert eines Atomkerns." Ich weiß, ich weiß, das ist harter Tobak und ich hätte es auch fast nicht über mich gebracht, es hier noch einmal niederzuschreiben, aber ... zu spät...
Zur Verteidigung des jungen Padawans: Tatsächlich haben Protonen einen Zusammenhang mit pH-Werten. Allerdings ausschließlich in Lösungen!!! (und der Einfachheit halber beschränken wir uns in unserer Betrachtung hier mal auf wässrige Lösungen). Der pH-Wert ist nämlich definiert als der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoff-Ionen Konzentration, wobei ein Wasserstoff-Ion eigentlich nichts anderes ist als ein nacktes, obszönes Proton. Oder kurz und knackig: pH = - lg([H+]).
Die Definition eines pH-Wertes setzt also vorraus, dass Protonen existieren, die sich in Lösung bewegen können - Bedingungen, die in einem Atomkern und auch in einem ganzen Stück Metall definitiv nicht erfüllt sind... Mir war langweilig, deswegen hab ich es trotzdem mal ausgerechnet ^^'.
Zunächst muss die Konzentration der Protonen im Atom bestimmt werden. Da diese definiert ist als Stoffmenge pro Volumen, erscheint es sinnvoll, sich diese beiden Größe erst einmal zubeschaffen. Beides ist selbstredend elementabhängig, weshalb ich entsprechend der Überschrift Eisen als Beispiel wähle (viel Spaß dabei, den tieferen Sinn dahinter zu finden). Näherungsweise wird das gesamte Volumen des Atoms betrachtet (weil es viel einfacher ist, dafür einen Wert aus der Literatur *hust* Wikipedia *hust* zu picken als für den Kern allein). Das Molvolumen von Eisen beträgt
Vm(Fe) = 7,09 · 10−6 m3/mol. Um das Volumen eines Atoms zu bestimmen, muss dieser Wert nun durch die Anzahl der Atome in einem Mol Eisen geteilt werden (zur Erinnerung: das sind etwa NA = 6,022 · 1023 ) und man erhält Vatom = 1,177 · 10−29 m3 = 1,177 · 10−26 dm3 = 1,177 · 10−26 Liter. In Worten ist das etwa ein quadrilliardstel eines Liters. Nun fehlt noch die Stoffmenge. Ein schneller Blick in das Periodensystem verrät uns, dass Eisen 26 Protonen im Kern trägt. Umgerechnet in Einheiten von NA entspräche das 4,3175 · 10−23 mol. Damit können wir nun endlich die Protonen Konzentration im Eisenatom berechnen und erhalten [H+] = 3667,14 mol/L. Der gübte Stöchiometriker, ahnt schon worauf das hinausläuft. Wenden wir die oben genannte Definiton des pH-Wertes an und bilden den negativen dekadischen Logarithmus, ergibt sich ein atemberaubendes Ergebnis von
pH = - 3,564. Enige Nicht-Chemiker werden sich jetzt fragen, wie ein negativer pH möglich sein soll, da die Skala doch nur von 0 bis 14 geht. Nun das ist durchaus möglich, nur nicht sehr oft der Fall. Um das mal zu vergleichen: Ein Stück Eisen wäre damit 350x saurer als konzentrierte, rauchende Salzsäure (die "rauchend" heißt, weil sie raucht... ernsthaft, wenn man das Pech hat neben einer Buddel von dem Zeug zu stehen und einmal zu tief einzuatmen, kann man sich direkt auf die Transplantationsliste für eine neue Lunge setzen lassen). Was lernen wir daraus? Das nächste Mal, wenn jemand einen Nagel in die Wand hauen will, um ein Bild aufzuhängen, dann tut er das bitte nur mit fünflagigen Nitrilhandschuhen, damit die Fingerkuppen nicht weggeätzt werden.