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Sonntag, 8. Dezember 2013

Wer braucht schon Ceranfeld, wenn er ein Silikonölbad haben kann?!

Ich möchte an den letzten Post anknüpfend hier eine weitere Errungenschaft des "Chemiker-Lifestyles" präsentieren. Schon vor Äonen von Jahren habe ich - wie ich glaube - überzeugend dargelegt, dass Chemiker die besten Köche sind. Dem einen oder anderen, der schon etwas länger im Labor tätig ist, könnte das mit der Zeit allerdings zum Verhängnis werden. Irgendwann kommt nämlich der Augenblick an dem man einen leckeren Festschmaus zubereiten will, die Herdplatte einschaltet, den Drehknopf, den man dafür gerade betätigt hat, anschaut und sich denkt: "Welcher Holzkopf beschriftet diese Dinger eigentlich mich Zahlen von 1 bis {oberes Ende variabel} anstatt mit Temperaturen ?! Beim Backofen geht das doch auch." Und dann erinnert man sich an den Magnetrührer, den man neulich erst im Labor benutzt hat - und daran, dass der einen Drehknopf hat, der mit Temperaturen beschriftet und sogar stufenlos verstellbar ist. Wenn man an diesem Punkt im Leben angekommen ist, hat man drei Möglichkeiten:
a) Einfach hinnehmen, dass Küchentechnologie nicht state of the art ist - Großmütterchen hat es schließlich auch geschafft, Suppe ohne Rückflusskühler zu kochen
b) An dieser Bürde des Schicksals verzweifeln und in Depression verfallen
c) Sich wie ein richtiger Chemiker zusammenreißen und seine Küche einfach Schritt für Schritt in ein Labor umrüsten
Offensichtlich ist Option c) die vielversprechendste und sei deshalb wärmstens empfohlen. Schritt 1 auf dem langem Weg zu einer professionellen Drogen Laborküche ist die Aufbewahrung der Zutaten unter optimalen Bedingungen. Für Gewürze oder ähnliches eignen sich z.B. besonders gut Laborflaschen mit Norm- schliff. Die Aromen bleiben drin, Luftfeuchtigkeit bleibt draußen und geschmacksneutral ist das Bor-Silikatglas sowieso. Nur Gefriertrocknung und Vakuumverpackung wären noch besser. Aber wir sind ja erst bei Schritt 1, der Flüssigstickstofftank unter der Spüle kommt später.
Zucker und Zimt - weihnachtliches Synthesereagenz
Wie jeder gute Chemiker weiß, ist eine korrekte Beschriftung der Gefäße das A und O guter Laborpraxis
 Natürlich seien an dieser Stelle alle gewarnt, nicht zu leichtsinnig zu sein und sich kontaminiertes Gerät aus dubiosen Quellen in die Küche zu holen. Egal wie oft man eine Flasche wäscht, ich würde trotzdem nicht daraus trinken, wenn da früher mal Benzol drin war. Wer sich vorbildlich und REACH konform seine Glasbehälter direkt beschriften lassen möchte, dem sei dieser sympathische kleine Laden empfohlen: http://www.vinegarandbrownpaper.co.uk/ideas_etched_in_glass.html (Ich werde für die Werbung nicht bezahlt, die kommt von Herzen).
Kaffeemaschine a la Boetticher
Sobald man sich die Grundlagen geschaffen hat, sollte man sich als nächstes darum kümmern, jeden morgen einen anständigen Kaffee oder Tee (wenn man so was denn regelmäßig morgens zu sich nimmt) parat zu haben. Den Goldstandard sollte man sich hierbei mit der Konstruktion setzen, die uns in Breaking Bad Staffel 3, Folge 6 "Sunset" von Gale Boetticher präsentiert wird. Egal ob die Komplexität dieses Aufbaus tatsächlich nötig ist, es sieht einfach fantastisch aus und bietet garantiert Gesprächsstoff, wenn man neue Freunde zum Essen einlädt. Natürlich muss ich hier den moralischen Zeigefinger erheben und mahnen, dass es keine gute Idee ist, Kaffee oder überhaupt irgendetwas in einem Labor zu konsumieren. Aber ich nehme an, zwei Methamphetaminköche geben nicht all zu viel auf überhaupt irgendeines meiner Gliedmaßen.
Eventuell hat nicht jeder genug Platz in seiner Küche, um eine derart raumfordernde Kaffee-maschine zu errichten. Deshalb möchte ich für den kleinen Anfang die Konstruktion dieses ambitionierten Laborkünstlers erwähnen (der die Idee dazu möglicherweise nach einer wie eingangs beschriebenen Erkenntnis in der Küche hatte). Genauere Informationen dazu finden sich hier: 
http://www.versuchschemie.de/htopic,14036,kaffee+vakuum.html

Das war´s vorerst aus der Reihe "schöner wohnen im Labor" und nun auf an die Sylvestervorbereitungen!

Dienstag, 12. November 2013

Schon mal gefragt, was Chemiker unter ihren Kitteln tragen?

Zu den Vorzügen des Chemikerlebens gehört, dass es die einzige legitime Rechtfertigung darstellt, derartig fabulöse Kleidung zu tragen.

Dienstag, 8. Oktober 2013

Achtung, Radioaktiv 2! - Die strahlende Rückkehr

Weiter geht´s mit unserer Expedition in die Geschichte der Radioaktivität und all jenen merkwürdigen Augenblicken, in denen sie mit der Menschheit in Kontakt getreten ist - teils auf eine Art, die zum Schmunzeln verleitet, teils besorgniserregend und manchmal einfach nur so, dass man sich eine Dachlatte mit voller Wucht vor die Stirn hämmern möchte, um sich von den ausufernden Dummheiten abzulenken, die dort begangen worden sind.
Zunächst sollte vielleicht einmal genauer geklärt werden, was diese Radioaktivität überhaupt ist:
1.Atome haben Kerne; Diese bestehen aus Protonen und Neutronen
2.Jedes Element hat eine definierte Anzahl Protonen, die Anzahl an Neutronen jedoch variiert
3.Manche Protonen-Neutronen-Kombinationen sind stabil, andere nicht
4.Ein instabiler Kern wird versuchen, sich in einen stabileren umzuwandeln
5.Dies geschieht durch das Umwandeln und/oder Abspalten einzelner Kernbausteine
6.Dabei wird die Anzahl der Protonen und damit zwangsläufig das Element verändert
7.Bei der Umwandlung freiwerdende Energie tritt in Form von Strahlung auf
Oder kurz: Ein Element verwandelt sich in ein anderes und gibt dabei Strahlung ab (nicht mit Alchemie verwechseln; das wäre: Ein Element verwandelt sich in ein anderes und wenn es kein Gold ist, verlierst du deinen Kopf). Die Bezeichnung kommt wie so oft aus dem Lateinischen von radius = der Strahl. Außerdem sollte erwähnt werden, dass Strahlung nicht gleich Strahlung ist. Es können hauptsächlich drei Formen radioaktiven Zerfalls unterschieden werden. Zum einen wäre da die α-Strahlung, bei der zwei Protonen und zwei Neutronen aus dem Kern herausbrechen und ihr eigenes Leben als freies Heliumatom beginnen. Diese α-Teilchen haben zwar hohes Gefahrenpotential für menschliches Gewebe, aber nur, wenn man sie verschluckt, da sie die Haut und auch sonst eigentlich nichts durchdringen können und selbst in der Luft nur eine Reichweite von etwa 5cm haben (wie ich schon bei meinen Ausführungen zu Americium-Rauchmeldern aus dem letzten Blogeintrag beschrieb). Zum anderen gibt es die sog. β-Strahlung. β-Teilchen sind Elektronen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aus dem Atomkern geschossen werden, nachdem dort ein Neutron in ein Proton und das besagte Elektron zerfallen ist. Diese Form radioaktiver Strahlung ist tendenziell weniger gefährlich für den Menschen und lässt sich bereits mit einigen Lagen Alufolie effektiv abschirmen. Zuletzt wäre da noch die γ-Strahlung, die nie allein, sondern nur als Begleitung anderer Zerfallsprozesse auftreten kann. Hierbei handelt es sich um hochenergetische Photonen, die sich weder von Türstehern noch von den dicksten Bleiplatten der Welt von ihrem Weg abbringen ließen. Wenn Röntgenstrahlung der Porsche Carrera GT im elektromagnetischen Spektrum ist, dann ist γ-Strahlung eins von den Modellen, mit denen die verwegenen, moralisch-fragwürdigen Helden aus Hollywoodstreifen eine Verfolgungsjagd durch die Innenstadt von Manhatten während der Rush-hour gegen das gesamte Polizeiaufgebot der USA inkl. einer Staffel kanadischer Mounties auf Rennpferden gewinnen und am Ende - mit Sonnenuntergang und Skyline im Rücken - irgendein Produkt der plastischen Chirurgie küssen, dessen Aufgabe im Film es war, Hotpants zu tragen..... Ich glaube, ich bin ein wenig abgedriftet. Jedenfalls könnte man das auch als einen Vorteil bezeichnen, denn die γ-Strahlung durchdringt mit der gleichen Zielstrebigkeit auch den menschlichen Körper und hinterlässt dabei in der Regel keine Spuren. Bedenklich wird es erst, wenn man der Strahlung über einen längeren Zeitraum ausgesetzt ist.
Entdeckt wurde die Radioaktivität übrigens von Marie und Pierre Curie, die dafür den Nobelpreis für Physik erhielten. Da die beiden außerdem bei ihrer Forschung feststellten, dass einige Bestandteile der von ihnen untersuchten Uranminerale, deutlich radioaktiver waren als Uran oder Thorium (die beiden zu jener Zeit einzigen bekannten radioaktiven Elemente) schlossen sie, dass sie noch weitere unbekannte Elemente enthalten müssten und begannen, sich einige Tonnen strahlender Pechblende (ein Uranmineral, hauptsächlich Urandioxid) zu kaufen und in großen Töpfen voller Säure zu kochen. Die Arbeit sollte sich lohnen, denn sie konnten Polonium (nach Marie Curies Heimatland Polen benannt) und Radium (heißt einfach nur so, weil es radioaktiv ist) isolieren und hätten wahrscheinlich auch beide dafür den Nobelpreis für Chemie verliehen bekommen. Da Pierre Curie allerdings ein unerfreuliches Zusammentreffen mit einer Droschke hatte, die nicht ganz so spurlos durch ihn durch fuhr, wie γ-Strahlung es wahrscheinlich getan hätte, erhielt letztlich nur seine Ehefrau den Preis.
Diese hatte sich übrigens mal während einer Feierlichkeit, zu der auch Lord Kelvin eingeladen war, mit selbigem in einen Besenschrank verkrümelt, um ihm eine Probe der von ihr entdeckten Elemte zu zeigen, die so radioaktiv war, das sie in der schummrigen Dunkelheit des Kämmerchens sichtbar leuchtete. Dieses beschauliche Zusammentreffen zweier unvergleichlicher Größen der Wissenschaft wurde schließlich von Kelvins Frau unterbrochen, die um den Ruf Marie Curies als "femme fatale" wusste und deshalb um die moralische Integrität ihres Ehegatten bangte - oder vielleicht auch um sein Geld, denn der Mann war, mal davon abgesehen, dass er einer, wenn nicht der bedeutendste Physiker seiner Zeit war, ein fleißiger Erfinder und hielt zu Lebzeiten über 70 Patente.
Kelvin selbst hielt es für seinen größten Erfolg, dass es ihm gelungen war, mit thermodynamischen Rechnungen das Alter des Planeten zu bestimmen - auf irgendetwas zwischen 24 und 200 Millionen Jahren. Es ist ja nicht so, dass ich persönlich etwas gegen die Thermodynamik hätte (doch habe ich), aber das es meist nicht viel mit der Realität zu tun hat, wenn man nur lustige Rechnungen anstellt und Monate seines Lebens damit verbringt, Näherungen auszuprobieren, um Differentialgleichungen lösbar zu machen wurde noch vor Kelvins Tod durch Ernest Rutherford bewiesen, der sich nach der Entdeckung der Radioaktivität sogleich auf diese stürzte und durch ein simples aber sehr einfallsreiches Experiment das Alter der Erde anhand des radioaktiven Zerfalls von Uran auf den deutlich besseren Wert von etwa 4,5 Milliarden Jahren beziffern. Da Kelvin aber ein Mann mit großem Einfluss war, konnte Rutherford es sich nicht erlauben, seine Ergebnisse als falsch anzuprangern. Stattdessen formulierte er vorsichtig, dass Kelvins Berechnungen - wenngleich hervorragend ausgeführt - niemals hätten korrekt sein können, da ihm die Radioaktivität, die in die Betrachtung hätte einfließen müssen, gar nicht bekannt war und wartete mit der Veröffentlichung seiner eigenen Ergebnisse bis Kelvin das Zeitliche gesegnet hatte.
Unter Rutherford arbeitete auch ein ungarischer Chemiker mit dem Namen György Hevesy, dem Rutherford die Aufgabe gegeben hatte, aus einem Bleiblock die radioaktiven von den nicht radioaktiven Bleiatomen zu trennen. Eine Aufgabe, die ihn zur Verzweiflung trieb, da sie chemisch unmöglich ist, was damals aber noch niemand wusste. Dieser ambitionierte junge Mann wohnte jedenfalls in einer Gaststätte und hatte den Verdacht, dass die Wirtin oftmals Essen, das auf den Tellern übrig blieb, in einem großen Topf warf, einmal gut durchrührte und am Tag darauf wieder auf den Speiseplan setzte (ich vermute mal als Eintopf des Hauses oder sowas). Der gute Hevesy nahm daher eines Tages ein wenig von dem radioaktivem Kram, mit dem er in der Uni arbeitete, und würzte damit seine Essensreste, bevor die Wirtin abräumte. Am Tag darauf zog er vor seinem ersten Bissen einen Geigerzähler aus der Tasche und konnte, zu seiner Genugtuung feststellen, dass seine Vermutung richtig war und er die Wirtin überführt hatte - das er dabei auch alle anderen, die vom "Eintopf des Hauses" gegessen hatten, mutwillig einem exorbitant erhöhtem Risiko ausgesetzt hatte, früher oder später an irgendeiner Form von Krebs und/oder Strahlenkrankheit zu sterben, sei ihm nicht in Gänze angelastet, da die gesundheitlichen Einflüsse der Strahlung noch gar nicht bekannt waren. Dieser Mann erhielt später einen Nobelpreis, für seine Entwicklung und Erforschung der Tracermethode, also der Anwendung radioaktiver Isotope, um chemische und biologische Prozesse nachvollziehbar zu machen...
Dass die schädlichen Wirkungen der radioaktiven Strahlung wirklich nicht weit bekannt waren, zeigt auch in welchem Umfang radioaktive Produkte für alle möglichen Dinge plötzlich frei verkäuflich erschienen sind. So gab es Zahnpasta mit dem Namen "Doramad", die in Deutschland produziert wurde und Thorium enthielt (das verwendete Thorium entstammte angeblichen französischen Vorräten, die von Nationalsozialisten während des 2. Weltkrieges geplündert wurde) und tatsächlich mit der Behauptung warb, "strahlend weiße Zähne" durch "radioaktive Strahlung" zu verschaffen. Außerdem gab es Zündkerzen mit Polonium für einen besseren Zündfunken, Radiumwasser, das unverhohlen als Allheilmittel angepriesen wurde, Zwieback, das mit Radiumwasser hergestellt wurde, Radiumtabletten, Radiumbadesalz, Keramikgefäße, in die Radium eingearbeitet war und die das Trinkwasser erfrischender und gesünder machen sollte, wenn man es über Nacht in ihnen aufbewahrt. Damit noch nicht genug: Es gab Radiumpads, die Man(n) während des Schlafens in die Unterwäsche stopfen sollte, natürlich um die Potenz zu steigern, Brillen mit Radiumlinsen (die nicht transparent waren) um Augenleiden, Fehlsichtigkeiten und Kopfschmerzen zu heilen und Kühlschrankdeodorants, die ungefähr so aussahen, wie die Dinger, die man in die Toilette hängen kann, und den Zweck hatten, mit ihrer radioaktiven Kraft schlechte Gerüche zu vernichten. Für eine sehr beeindruckende und irgendwie angsteinflößende Zusammenstellung verschiedenster dieser Fehltritte, kann ich wärmstens diese Seite empfehlen: http://www.orau.org/ptp/collection/quackcures/quackcures.htm
Neben all den Menschen, die im Glauben an die heilenden Kräfte der Radioaktivität früher oder spätere den Tod durch sie fanden, sind vielleicht die "Radium-Girls" das traurigste Beispiel. Diese Frauen waren Fabrikarbeiterinnen, deren Aufage darin bestand, Uhrzeiger mit Radium-haltiger Farbe zu bemalen, damit diese im Dunkeln leuchten konnten. Dummerweise hatten sie die Angewohnheit ihre Pinsel mit der Zunge anzufeuchten, damit sie feine Linien ziehen konnten. Da Radium in der selben Hauptgruppe steht wie Calcium und sich somit chemisch ähnlich verhält, wird es vom Körper bereitwillig in die Knochensubstanz eingebaut, wodurch die Frauen chancenlos ihr Leben verwirkt hatten. Es ist überliefert, dass einige von ihnen sich sogar die Fingernägel mit der Farbe lackiert haben sollen...
Wer glaubt, derartige Geschehnisse müssten den Menschen zu der Überzeugung gebracht haben, Radioaktivität nicht allzu leichtfertig zu behandeln, der ist leider im Irrtum. Noch heute werden hauptsächlich in Japan diverse Produkte hergestellt und verkauft, die Thorium enthalten und dazu dienen sollen, Trinkwasser aufzubereiten oder das Badeerlebnis zu verbessern. Es gibt sogar Stützstümpfe, in die Thorium-haltige Keramikfasern eingearbeitet sind, damit... ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung warum jemand so etwas tut. Sogar Uhren mit leuchtenden Zeigern und Ziffernblatt gibt es wieder, jetzt allerdings mit Promethium statt mit Radium bemalt. Nicht wirklich eine Verbesserung.
Wem jetzt etwas schummrig ist, den kann ich beruhigen. Er, Sie oder Es leidet nicht an der Strahlenkrankheit (außer es wurde vor kurzem an einem Ionisationsrauchmelder genuckelt), sondern hat einfach zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbracht, um meinen Blog zu lesen. Das kann ich natürlich niemandem verübeln, aber jetzt raus an die frische Luft und tief durchatmen - in vollem Bewusstsein, dass dabei auch ein bisschen 14CO2 durch die Lungen wirbelt.

Montag, 7. Oktober 2013

Achtung, Radioaktiv!

Bei Radioaktivität dachten die meisten Leute bisher wahrscheinlich an Tschernobyl, seit der jüngeren Vergangenheit auch an Fukushima, an strahlende Pilze und verseuchtes Wild. Manche mögen sich vielleicht auch Bilder von seltsam mutierten Lebewesen aller Art ausmalen, aber die wenigsten denken wohl über die Radioaktivität in ihren eigenen vier Wänden nach (ausgenommen vielleicht russische KGB-Köche, die das berühmte Polonium&Sardellen-Sandwich zubereiten oder freischaffende Künstler, die Skulpturen aus Uran meißeln). Tatsächlich ist unser tägliches Leben voll von radioaktivem Zeug und damit meine ich nicht irgendwelchen Abfall, der möglicherweise unsachgemäß entsorgt wurde, sondern ausschließlich natürliche Radioaktivität. Und nicht nur unsere Umgebung, auch wir selbst beherbergen instabile Atomkerne, weil wir das Kohlenstoffisotop 14C in uns tragen, das sich chemisch nicht im geringsten von seinem stabilen Verwandtem, dem 12C, unterscheidetund und deshalb überall da eingebaut wird, wo wir Kohlenstoff benötigen - und das ist wortwörtlich überall. Woher haben wir dieses exotisch anmutende Kohlenstoffisotop? Wir nehmen es mit der Nahrung auf, die es wiederum selbst durch Photosynthese aus Kohlenstoffdioxid gewonnen hat, welches durch Einwirken kosmischer Strahlung auf 12CO2 in der oberen Atmosphäre entsteht. So wird der Gehalt an 14C auf der Erde in guter Näherung konstant gehalten.
Das bedeutet natürlich auch, dass unsere Atemluft, die nunmal Kohlenstoffdioxid enthält, radioaktiv ist. Ja, mit jedem Atemzug inhalieren wir etwas Radioaktivität und das vollkommen unabhängig von irgendwelchen Castortransporten, Umweltverschmutzung oder ob irgendwo auf der Welt auch nur ein einziges Atomkraftwerk existiert - nur mal so nebenbei bemerkt.
So weit, so gut.
Nun zu den weit absurderen Quellen der Radioaktivität, die sich hier und dort im Haushalt verstecken. Allen voran: die Banane! Bananen sind reich an Kalium und damit auch reich an 40K, einem radioaktiven Isotop, das etwa 0,012% allen natürlichen Kaliums ausmacht. Das klingt zwar nicht sehr viel, aber eine durchschnittliche Banane enthält etwa 0,5g Kalium, was einer Aktivität von ca. 15 Becquerel entspricht, was wiederum bedeutet, dass in einer Banane pro Sekunde 15 Kaliumatome dem radioaktiven Zerfall unterliegen. Man könnte nun versucht sein, aus Angst vor dieser Strahlenbelastung vom Bananenverzehr abzurücken, aber das wäre genauso unsinnig, wie mit besagtem Obst eine Tankstelle zu überfallen und zu behaupten, es handle sich um eine Strahlenkanone. Neben den zerfallenden Atomkernen enthält eine Banane nämlich noch so ungefähr 77.000.000.000.000.000.000.000 friedliche Kalium-Gesellen, die nicht daran denken zu zerfallen. Verfügt man jedoch über eine ganze Wagenladung Bananen, reicht deren Radioaktivität, um amerikanische Detektoren auszulösen, die eigentlich geschmuggelte Nuklearwaffen ausfindig machen sollen (wie hier nachzulesen ist). Es wurde sogar eine "banana equivalent dose" definiert, kurz "BED", um das Ausmaß einer nuklearen Bedrohung allgemein besser verständlich machen zu können. Ich persönlich glaube allerdings, dass er dem Ernst der Lage nicht ganz gerecht wird, wenn man die Gefährlichkeit einer Atombombe mit 5 KiloBananen beziffert... (Hinweis: Der Wert in BED müsste natürlich viel größer sein, aber a) hatte ich keine Lust so etwas unsinniges nachzurechnen und b) wäre das Wortspiel weniger gut, wenn ich GigaBananen geschrieben hätte.. man verzeihe es mir).
Mehr Kalium - bezogen auf 100g Nahrungsmittel - als in Bananen findet man z.B. in Kartoffeln, Datteln, Spinat und allg. in vielen Trockenfrüchten. Ein anderes Früchtchen, das nicht nur durch seine Radioaktivität glänzt, sondern auch - und vorallem - wegen des hohen Fettanteils (über 60%) ist die Paranuss. In diesem Fall liegt es aber nicht am Kalium, das ebenso vorhanden ist, sondern an der Eigenschaft des Paranussbaums, natürliches Radium aus dem Erdboden aufzunehmen, in den Samen einzulagern und so aufzukonzentrieren, wodurch Paranüsse etwa die fünffache Radioaktivität einer vergleichbaren Menge Banane erreichen können.
Kleiner Exkurs zu Paranüssen: Neben Radium wird in ihnen ebenfalls Selen angereichert. Damit sind Paranüsse der größte pflanzliche Lieferant dieses Spurenelementes. Hier ist tatsächlich Vorsicht geboten! Vergiftet man sich mit Selen - und das kann durchaus passieren, wenn man reichlich Paranüsse isst - folgen Haarausfall, unschöne Streifen auf den Fingernägeln und diverse Formen von Magen-Darm-Problemen. Außerdem gibt der Körper einen Teil des Selens über den Schweiß ab. Bakterien auf der Haut, die normalerweise Schwefel verstoffwechseln, nehmen dann dieses Selen auf und produzieren Stoffe, die so unfassbar stinken, dass es eine Untertreibung wäre, vom gesellschaftlichen Tod der Person zu reden. In Frankreich gab es mal ein Unternehmen, das Geruchsstoffe zur Markierung von Erdgas produziert hat. Dort gab es ein Leck und 5 Stunden später klingelten an der englischen Südküste die Telefone der Notrufzentralen heiß, weil die Menschen um Gasleckagen in ihren Häusern fürchteten. Das waren Schwefelverbindungen, Selen-Analoga riechen schlimmer.
Paranuss-Fakt Nr. 2: Paranüsse sind das einzige Nahrungsmittel, das über sexuell übetragbare Allergene verfügt. Es gibt medizinisch belegte Fälle, in denen ein Menschenmägdlein mit Allergie auf Paranüsse nach ungeschütztem Kontakt zu einem Menschenknäblein einen allergischen Schock erlitt.
Nun zu meiner Lieblingsbeschäftigung: Seitenhiebe auf Raucher verteilen. Tabakpflanzen, die den Rohstoff für die Herstellung von Zigaretten, Zigarren u.ä. darstellen, haben die Fähigkeit, natürliches Polonium aus dem Erdboden anzureichern (außerdem noch so nette Schwermetalle wie Nickel oder Cadmium und andere Dinge, die man eigentlich nicht in seiner Lunge haben möchte, wenn man noch bei Verstand ist), was dem mutagenen Rauch aus diesen glimmenden Vorboten des Todes auch noch das erbahmungslose Licht radioaktiver Strahlung verleiht.
Und zum Schluss vom Rauchen zum Rauchmelder. Der aufmerksame Leser erahnt es sicher schon: Auch hier versteckt sich Radioaktivität. Zugegeben, die meisten Rauchmelder in Deutschland kommen ohne aus, aber z.B. in Dänemark gibt es fast ausschließlich sog. Ionisationsrauchmelder, die über eine kleine Quelle radioaktiver Strahlung verfügen. Dabei wird Americium (241Am), das sich dadurch qualifiziert, dass es zwar eine hohe alpha- aber nur geringe gamma-Strahlung emittiert, verwendet. Die alpha-Strahlung kann die Abdeckung des Rauchmelders nicht durchdringen - genau genommen kann sie so gut wie gar nichts durchdringen, auch kein menschliches Gewebe und reicht selbst in Luft nur bis zu 5cm weit - und ist daher keine große Gefahr für den Menschen, solange die Strahlungsquelle nicht verschluckt wird. Deswegen sollten Rauchmelder für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden - am besten unter der Decke. Gamma-Strahlung hingegen durchdringt praktisch alles, sogar massives Blei, und kann bestenfalls abgeschwächt werden. Außerdem ist das Zerfallsprodukt des Americiums ein Neptuniumisotop (237Np) mit einer Halbwertszeit von über 2 Millionen Jahren und übersteigt damit deutlich die mittlere Lebensdauer des Rauchmelders selbst. Zweck des Ganzen ist, dass ein kleiner Detektor die alpha-Teilchen aus dem Americium-Zerfall detektiert. Dringt nun Rauch in den Raum zwischen Strahlungsquelle und Detektor und unterbricht so den Detektionsstrom, wird der Alarm ausgelöst. Diese Ionisationsrauchmelder sind zwar im Allgemeinen zuverlässiger, allerdings kommt Americium auf der Erde nicht natürlich vor und muss aus abgebrannten Brennstäben von Kernreaktoren gewonnen werden. Dabei können aus einer Tonne Kernbrennstoff etwa 100g Americium erhalten werden. Zudem sei angemerkt, dass der Gesetzgeber vorschreibt, dass der Bauschutt, der beim Abriss eines Gebäudes anfällt, welches nachweislich mit mindst. einem Ionisationsrauchmelder ausgestattet war, unabhängig von der Größe des Gebäudes vollständig als radioaktiver Sondermüll entsorgt werden muss.
Soweit der erste Ausflug in die kuriose Welt radioaktiver Dinge. Fortsetzung folgt!

Dienstag, 9. Juli 2013

Möhrenfliegen und der Gifthandel

Im Leben eines jeden Chemikers kommt einmal der Tag - meistens schon während der Studienzeit - an dem er sich fragen muss, was er mit dem ganzen lustigen Zeug, das er im Labor mitgehen lassen gefunden hat, anfangen könnte. Weiterhin alles fein säuberlich oben auf dem Bücherregal aufreihen, sodass man seine Trophäensammlung aus bunt gefüllten Schnappdeckelgläsern jeden Tag mit der gebotenen Ehrfurcht betrachten kann, bzw. in der verschlossenen Stahlschatulle unterm Bett, wenn es sich um lichtsensible Substanzen wie Realgar handelt, das dazu neigt, an der Luft unter Lichteinwirkung in Arsentrioxid zu zerfallen und dann - sollte man selbst die Handhabung überleben - höchstens noch dazu taugt, auf altmodische Weise an das Erbe von Großmutter zu kommen, oder einen kleinen Absatzmarkt generieren und Geld verdienen. Im letzteren Fall muss man sich dann weiterhin fragen, ob das ein Geschäft sein soll, dass nur unter dem Labortisch stattfindet und mit einer Karriere in der Chemikalien-Mafia winkt oder ob man sich für den Weg des rechtschaffenden Einzelunternehmers entscheidet, der sich seinen kleinen Handel staatlich genehmigen lässt. 
Diese Fragen sind natürlich alle rein hypothetisch, denn selbstredend handeln Chemiker und vor allem Chemiestudenten ausnahmslos moralisch verantwortungsvoll nach den neueste Erkenntnissen der Wissenschaftsethik und würden daher niemals Stoffe, von denen ein Gefahrenpotential ausgehen könnte, an andere weitergeben - auch deshalb nicht, weil sie sie gar nicht besitzen, denn niemand würde jemals auf die Idee kommen, sie aus den Uni-Laboren zu entwenden.
Dennoch besteht nach §5 der Chemikalien-Verbotsverordnung die Möglichkeit, sich einer staatlichen Prüfung zur Erlangung der Sachkunde und damit der Berechtigung zum Inverkehrbringen von Gefahrstoffen zu unterziehen. An der Sachkundeprüfung kann jeder Volljährige vollkommen unabhängig davon, welchem Beruf er nachgeht oder welche Vorbildung er hat, teilnehmen. Die Prüfung besteht dabei ausschließlich aus Multiplechoice-Fragen mit jeweils vier Antwortmöglichkeiten, von denen beliebig viele richtigen sein können (wobei ersichtlich sein sollte, dass mindst. eine, maximal 4 Antworten richtig sind) und zum Bestehen müssen mindestens 50% der Fragen richtig beantwortet werden. Welche Fragen dabei gestellt werden können ist für Jedermann vorher einsehbar, da der BLAC (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit) einen Fragekatalog herausgegeben hat, der mögliche Fragen vorschlägt und der Einheitlichkeit der Prüfung in allen Bundesländern dienen soll. Aber mal ehrlich: Welcher Beamte setzt sich denn hin und überlegt sich, wenn der Katalog ihm doch etwa 900 Fragen vorschlägt, noch neue Fragen aus... 
Um zu illustrieren, welche Anforderungen diese Sachekundenachweis an den Prüfling stellt, will ich nun eine erlesene Auswahl an Fragen aus erwähntem Katalog vorstellen:
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Was gehört zu den Schutzmaßnahmen nach der Gefahrstoffverordnung, die der Arbeitgeber bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu ergreifen hat?
a) Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
b) Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die Gefahrstoffen ausgesetzt sind
c) geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren
d) kostenlose Bereitstellung von Milchprodukten zur Gefahrstoffneutralisation
Es ist offensichtlich, dass Antwort d) richtig ist. Warum sonst hätte schon Kleopatra in Milch baden sollen?
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Einem Bauarbeiter ist auf einer Baustelle Kalk ins Auge gespritzt. Er muss
a) nach den Richtlinien des Arbeiterschutzgesetztes weiterarbeiten, da es sich um keine schwer wiegende Verletzung handelt.
b) als allererste Maßnahme zum Augenarzt geschickt werden.
c) das offen gehaltene Auge mit Wasser spülen und anschließend einen Arzt aufsuchen.
d) mit 1%-iger Borsäure spülen
Diese Frage ist wirklich fies, denn sie beinhaltet einige Fallen. Antwort a) erscheint sehr logisch, kann aber nicht richtig sein, denn hier geht es schließlich um Umwelt- und nicht um Arbeitsrecht. Wenn man etwas chemischen Verstand hat, dann wird man schlussfolgern, dass Kalk basisch reagiert und folglich die Neutralisation mit Borsäure eine gute Idee darstellt. Aber Obacht! Man achte auf die wohl durchdachte Wortwahl des Fragenstellers! Borsäure ist ein Feststoff und mit Feststoffen lässt sich schlecht spülen. Um die Antwort als richtig gelten zu lassen, müsste dort "Borsäure-Lösung" stehen. Antwort b) muss ausgeschlossen werden, weil man nicht erwarten kann, dass jeder Mitarbeiter spontan die 10€ Kassengebühr dabei hat, um zum Augenarzt zu gehen und Antwort c) kann wegen Unpraktikabilität verworfen werden, denn man muss sich mal vorstellen was wohl passiert, wenn jmd. versucht, sich auf einer Baustelle, auf der die einzige Frischwasserversorgung wahrscheinlich durch etwas gartenschlauchartiges (oder größeres) gewährleistet wird, mit dem örtlich üblichen Wasserleitungsdruck (oder höher, wenn die Baustelle einen eigenen Hydranten o.ä. hat) das Auge zu spülen... da bleibt vom Auge wahrscheinlich nicht sehr viel mehr, als der Kalk übrig gelassen hätte. Jetzt haben wir das Problem, dass alle vier Antworten falsch zu sein scheinen. Die Lösung ist: Die Frage ist falsch! Selbstverständlich trägt jeder Bauarbeiter beim Umgang mit Kalk immer seine vorgeschriebene Schutzbrille, ergo ergibt sich die in der Fragestellung suggerierte Situation überhaupt nicht. Wenn die Frage damit falsch ist, sind logischer weise alle Antworten richtig und wir sind nicht auf diesen Trick des Gesetzgebers reingefallen.
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Das Quecksilberthermometer einer Kundin ist auf dem Zimmerboden zerbrochen. Sie sagen ihr, dass
a) metallisches Quecksilber nicht verdampft und daher für den Menschen nicht giftig ist.
b) sie das Quecksilber mit dem Föhn bei geöffnetem Fenster verdampfen soll.
c) sie das Quecksilber möglichst vollständig aufnehmen und bei einer Schadstoffsammelstelle entsorgen soll
d) das Quecksilber Löcher in den Zimmerboden frisst.
Es ist leicht ersichtlich, dass b) das einzig richtige Vorgehen beschreibt ( c) nur dann, wenn kein Föhn im Haus ist), vorallem, wenn das Fenster zum Nachbarn zeigt. Trotzdem stört mich etwas an dieser Frage. Zum einen ist Antwort d) nicht sinnvoll, solange man keine Information über die Beschaffenheit des Zimmerbodens hat. Sollte dieser aus Metall bestehen, bspw. Natrium, würde sich nämlich ein Amalgam bilden und in dessen Folge gäbe es sehr wohl Lochfraß, nicht so bei Holz oder Steinböden. Zum anderen sollte genauer erläutert werden, wie das Quecksilber aufgenommen werden sollte, wenn tatsächlich einmal kein Föhn o.ä. zur Hand ist. Die beste Variante wäre, das Quecksilber mit einem Strohhalm, der nicht aus Metall sein sollte, in den Mund zu saugen. Da es ein unpolares Metall ist, kann es nicht über die Schleimhäute absorbiert werden und es geht absolut keine Gefahr von diesem Vorgehen aus - außer man hat bereits Amalgamfüllungen in den Zähnen, die könnten aufgeweicht werden. Man sollte diese Aufgabe im Zweifelsfall den Jünglingen im Haushalt überlassen, die noch zu jung sind, als dass sie vom Zahnarzt schon Füllungen verpasst bekommen hätten.
Und als letzte Frage hätten wir dann noch:
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Welche der nachfolgenden Maßnahmen ist gegen die Möhrenfliege sinnvoll und wirksam einsethbar?
a) Abdeckung mit Netzen
b) Einsatz von Pheromon-Fallen
c) Aufstellung von Gelbtafeln
d) Zwischenpflanzung von Lockfallen
Wer mir sagen kann, was zur Hölle das jetzt gleich nochmal mit der Qualifikation zu tun hat, die man in dieser Prüfung nachweisen soll, um die Erlaubnis zu bekommen, mit 99% der gefährlichsten Subtanzen, die diese Welt herzugeben hat, zu handeln, hat einen (Ig)Nobelpreis verdient. Nur zur Information: Mein Vorgehen wäre, das Beet mit einem Graben zu umziehen und diesen mit Brom zu befüllen. Das hält nicht nur Möhrenfliegen, sondern auch den Nachbarsjungen ab - und zwar dauerhaft.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Chemie Fernstudium... aus Hollywood?!

Ohne Chemie kein Hollywood. Keine gewaltigen Feuerbälle, keine Effektmunition, keine Silizium-basierte Halbleiterelektronik für "special effects" oder gar ganze Animationsfilme (da würden sogar bei Pixar die Lampen ausgehen...), keine spezialisierten Kleb- und Werkstoffe und somit kein Modellieren - weder von Drehsets noch von Gesichtern, bspw. nachdem sie auf Tuchfühlung mit einer laufenden Kettensäge gegangen sind, kein Zement, in dem Leute mit besonderen Verdiensten ihre Handabdrücke hinterlassen können (man vergleiche: in der Chemiker-Szene gibt es zu solchen Anlässen meist Medaillen in Edelmetall - und ich meine  richtiges Edelmetall: Rhodium, Ruthenium, Palladium und nicht dieses Anfängerzeug, "Gold" oder wie man das nennt) und die wahrscheinlich dramatischste Konsequenz, kein Botox... zugegeben, kein echter Grund zur Trauer, aber wenn man es streng nimmt, sind ja eigentlich auch die Biologen für das Melken der Botulinium-Bakterien zuständig.
Soviel zur Chemie hinter den Kulissen. Um die geht es mir aber überhaupt nicht. Wollte nur mal ein bisschen angeben, tue ich ja sonst nie. Viel wichtiger sind mir die chemischen Thematiken, die es auf die Bühne geschafft haben, um von begabten Schauspielerinnen und Schauspielern inhaltlich aufgearbeitet dem lernwütigen Publikum dargereicht zu werden.
Unser erstes Beispiel hierfür soll Kill Bill Vol. 2 sein. In der finalen Szene schießt der namensgebende Bill mit einem Pfeil auf die Heldin der Geschichte, der mit Natriumpentothal getränkt ist, das nach Bills Aussage ein Wahrheitsserum sei. Schauen wir mal, was dahinter steckt:
Pentothal
Natriumpentothal ist ein, wie der geübte Chemiker und Hobbypharmakologe an der Struktur erkennt, ein Barbiturat. Und wenn man Barbiturate hört, sollten sofort die Alarmglocken läuten. Diese Derivate der Barbitursäure sind durch die Bank dosisabhängige Schlafmittel mit hohem Abhängigkeitspotential, die ausnahmslos alle wegen ihrer kleinen therapeutischen breite sehr leicht überdosiert werden können und dann so stark atemdepressiv wirken, dass sie letztlich zum Tod durch Atemstillstand führen. Die Anwendung von Barbituraten in der Humanmedizin ist daher in Deutschland so gut wie vollständig verboten. Stattdessen wird es benutzt um Tiere einzuschläfern, von diversen Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz verwendet und als Wirkstoff für die Todesstrafe durch Injektion in Amerika eingesetzt. Dennoch muss man sagen, dass der Einsatz als Wahrheitsserum denkbar ist. Wenn das Pentothal richtig dosiert wurde (was, wie eben hoffentlich deutlich wurde, schon eine Aufgabe für sich ist) versetzt es den Patienten, bzw. das Opfer in einen Zustand geminderter kognitiver Fähigkeiten und gesenkter Konzentration. Dennoch fängt dieser nicht an, zwangsläufig nur noch die Wahrheit zu erzählen. Viel mehr kommt es auf die Technik an, mit der die Fragen gestellt werden. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, die dem Befragten keine Zeit lässt, einen klaren Gedanken zu fassen. Suggestivfragen und rhetorische Finten müssen ihn aus dem Konzept bringen. Der Erfolg dieser Methode hängt damit deutlich stärker von der Eloquenz des Fragenden als vom Delirium des Opfers ab.
Etwas mehr Alltagsrelevanz kann da schon in den Erkenntnissen aus Star Trek gefunden werden. Die Realitätsnähe liegt hier nunmal auch direkt auf der Hand. Zu betonen ist aber, dass ich das einzig wahre Star Trek meine, das Original. Ohne Leonard Nimoy und William Shatner geht das einfach nicht. Wenn wir Staffel 1, Folge 19 (Titel: "Arena") betrachten, finden wir Captain Kirk auf einem Fremden Planeten lediglich mit Muskel- und Geisteskraft zum Kampf gerüstet in einem Duell Mann gegen Gorn auf Leben und Tod. So weit sollte den Meisten von uns diese Situation nicht vollkommen fremd sein, zumindest wenn man schon mal zusammen mit einem Biologiestudenten Zeit im Laborpraktikum verbringen musste durfte. Was nun tun in so einer Situation, in der man dem Gegner physiologisch hoffnungslos unterlegen ist? Richtig! Man aktiviert seinen chemischen Sachverstand, den man auch in Zeiten in denen nur noch mit Fasern und Photonentorpedos geschossen wird, nicht verstauben lassen sollte, und bastelt sich einen Sprengsatz. Das geht besonders einfach, wenn man wie Kirk große Vorkommen von Kohle und Schwefel an der Erdoberfläche findet und dann auch noch auf eine weiße kristalline Substanz stößt, die er könnerhaft per Geschmacksprobe als Kaliumnitrat identifiziert. Welches geeignetere Verfahren könnte es auch für einen - meines Wissens nach - geschmacklosen Stoff geben, der als potentes Oxidationsmittel dazu neigt, im menschlichen Körper Methämoglobin zu bilden und so zum Erstickungstod führt? Kommt davon, wenn man durchs All fliegt und dabei zu sehr die Bodenhaftung verliert... Kirk entscheidet sich dann dazu, eine Kanone zu bauen, seinen Sprengsatz in ein Bambusrohr zu füllen und wählt als Munition faustgroße Diamanten, die mal eben so auf dem Erdboden herumlagen. Warum auch nicht? Wer hat, der hat. Sicherlich keine schlechte Wahl, denn mit Geschossen von so hoher Härte gelingt es ihm, die Panzerhaut des Gorn zu durchstoßen und ihm so den Siegesstoß zu versetzen. Daraufhin sieht man das Echsenwesen blutend am Boden liegen, während Diamanten immer noch funkelnd aus seinem Brustkorb ragen. Dumm nur, dass die Diamanten als fossiler Brennstoff, der sie nun mal sind, in der Hitze der Explosion wahrscheinlich in Rauch aufgelöst hätten oder zumindest in Brand geraten hätten müssen. Zugegeben, die Druckwelle der Explosion hätte die Flammen auch wieder ersticken können, aber ich darf daran erinnern, dass hier mit einem Kiesel gemörsertes Schwarzpulver aus einem Bambusrohr verschossen wurde und kein Hochleistungssprengstoff zum Abriss von Hochhäusern. Ob das letztlich einen Nachteil bedeutet, weil die Diamanten verbrannt sind, bevor die den Gegner treffen oder einen Vorteil, weil er von brennenden Geschossen durchbohrt wird, vermag auch ich nicht zu sagen. Zumindest wissen wird jetzt aber, wir wir uns verteidigen können, wenn wir von außerirdischen Echsenmenschen überfallen werden, in unserem Vorgarten Diamanten herumliegen und im Keller Kalisalpeter und Schwefel abgebaut werden.

Montag, 20. Mai 2013

Chemiker in der Familie - Retter in allen Notlagen

Ich stelle folgenden Antrag an die Bundesregierung:
Aus Haushaltsmitteln des Staates soll eine Institution eingerichtet werden, deren einziger Zweck es sei, in jedem Verwandtschaftsverhälntnis oder zu wenigst in jeder gemeinschaftlich zusammenlebenden Struktur einen jungen Menschen des Engagements und der Befähigung nach zu testen und auszuwählen, um ihn zu einem allseitig gewandten Chemiker auszubilden, dessen Aufgabe es sein soll, nach besten Wissen und Gewissen seine Berufung zu nutzen, um das Wohl anderer zu schützen und zu mehren und allgemein die Lebensqualität zu steigern. Für die Auswahl der Jungchemiker soll ein Ausschuss berufen werden, der von Interessenvertretern der nationalen sowie internationalen Industrie undbedingt freizuhalten ist. Weiterhin muss den ausgebildeten Chemikern ein Etat zur Verfügung gestellt werden, der es ihnen ermöglicht ihrer Berufung für die Allgemeinheit nachzukommen und zu gleich ein eigenes von dieser unabhängig orientiertes Leben zu führen. Die Kosten für Aus- und Fortbildung, sowie jährliche Erneuerung grundlegender Sicherheitsmaßnahmen und einen Grundstock an Chemikalien, der für Notfälle bereitgehalten und ständig in Fülle zugreifbar zu sein und über dessen Zusammenstellung der berufene Fachausschuss zu beraten hat, trage der Staat.
Das wäre doch mal etwas wirklich wirklich Nützliches. Wie ich darauf komme und wieso das so ist? Wir alle kennen doch diese Situationen: Omas geerbter metallener Kerzenständer ist angelaufen, dabei sollte er doch heute Abend beim Essen den Tisch dekorieren. Flecken an unpassenden Orten, die einfach nicht weg gehen wollen. Muffiger Geruch oder gar penetranter Gestank, der auch über das beste Raumspray noch die Nase belästigt. In solchen Fällen passiert doch immer das gleiche. Man versucht mit den bekannten Methoden das Problem zu lösen - und scheitert. Das kostet einen Zeit und nerven und macht unzufrieden. Dann hat man entweder die Möglichkeit einen Experten zu konsultieren, aber wer macht das schon, ist schließlich viel zu teuer, oder man versucht es mit irgendwelchen Do-it-yourself Tipps, die man aus dem Internet saugt oder in einschlägigen Magazinen (sowohl in gedruckter als auch in televisioneller Form) nachliest - und scheitert. Denn auch, wenn hinter diesen Tipps des Öfteren ein vernünftiger Ansatz liegt, scheitert es daran, dass entweder der Moderator/Autor/die ganze Produktionscrew eigentlich gar nicht verstanden haben, was sie da tun, die eigentliche Funktionsweise nicht begreifen und folglich auch nicht daraufhinweisen können, wovon der Erfolg der Methodik maßgeblich abhängt, was wiederum meistens darauf zurückzuführen ist, dass man nur wiedergibt, was man irgendwo bei jemandem gelesen hat, der selbst nur wiederholt, was aus Quellen stammt, die schon lange niemand mehr kennt (an dieser Stelle sei darauf verwiesen, wie wichtig es ist, korrekt zu zitieren...) oder der Anwender ist einfach nicht in der Lage die Anweisung richtig umzusetzen, weil er meint, er wüsste es besser -  so was soll es ja auch geben und endet dann meistens in viel größeren Problemen, vorallem unter uns Chemikern dann gerne auch mal mit Explosionen, Feuererscheinungen und Amputationen.
Wie viel angenehmer wäre das Leben wenn nun jeder quasi einen "Hauschemiker" hätte, der für alle diese Probleme des Alltags eine Lösung parat hat, die auch funktioniert und richtig angewendet meist zum sofortigen Erfolg führt. Nehmen wir das Beispiel mit Omas Kerzenständer: Der gemeine Kerzenständer-Besitzer würde wahrscheinlich zu einem Poliermittel greifen und versuchen, dem guten Metallstück damit wieder zu Glanz zu verhelfen. Wenn er Pech hat und ein schlechtes Mittelchen mit großen Schleifpartikeln erwischt hat er hinterher Kratzer im Metall, wenn er Glück hat und ein gutes Schleifmittel zur Hand hat, sind die Partikel winzig und es dauert ewig den Dreck damit wegzubekommen. In beiden Fällen tut man jedenfalls nichts anderes als die Oxidschicht auf dem Metall mechanisch abzutragen. Das geht viel einfacher und schneller, wenn man den ganzen Kerzenständer in verdünnte Salzsäure taucht. 30 Sekunden baden und voilà: Der Kerzenständer strahlt wieder in der Originalfarbe des Metalls. "Verdünnte Salzsäure. Wo soll ich die denn herbekommen?!", fragt sich der verwunderte Leser jetzt. Erstens ist die für jeden (über 18) in jeder Apotheke frei verkäuflich, wobei der Apotheker theoretisch das Recht hat, den Verkauf zu verweigern, wenn ihm der Käufer und seine Absichten suspekt vorkommen,  und zweitens kann jeder halbwegs kompetente Chemiker sich die auch aus zwei denkbar einfachen Haushaltsmitteln selbst herstellen, die garantiert in jeder Küche zu finden sind. Natürlich kann ich hier nicht einfach so verraten, wie das geht - wissenschaftlicher Ehrencodex und so - aber man nennt sie ja nicht umsonst Salzsäure...
Außerdem das Problem mit den Gerüchen. Was man im Supermarkt alles so bekommt, um schlechte Gerüche loszuwerden, ist ja schön und gut, aber nicht konzentriert genug. Duftstoffe zeichnen sich nunmal damit aus, leicht flüchtig zu sein, und wenn man sie zu niedrig konzentriert einsetzt sind sie eben nach ein paar Minuten schon wieder weggedampft. Die Hersteller sparen Geld, wenn sie den Wirkstoff sparsam verwenden und für den Normalverbraucher ist der Erwerb der Reinsubstanz (ebenfalls in den meisten Fällen über die Apotheke möglich) finanziell  eher unerschwinglich und schlichtweg unsinnig.Was tut man nun also, wenn man eine Party schmeißen will, einen Raum dafür herrichtet und dann zwei Stunden vorher merkt, dass wohl die Nachbarskatze letzte Nacht da war und sich olfaktorisch verewigt hat? Nichts. Man kann nichts tun, um den Katzengeruch in zwei Stunden wieder loswerden. Da hilft kein Putzen, kein Lüften und keine Duftkerzen. Katze setzt sich als Kopfnote über alles hinweg. Man könnte den Raum vielleicht mit Chanell No. 5 fluten, ich überlasse es den Lesern, zu bewerten, ob das eine geruchliche Verbesserung wäre. Der Einzige Ausweg aus diesem Dilemma wäre, wenn man einen Chemiker zur Seite hat der vor Ort ist (immerhin bleibt nur noch eine Stunde), der ein Arsenal an konzentrierten Duftstoffen hat (hier kommt der eingangs angesprochene Grundstock an Notfallchemikalien ins Spiel) und diese sinnvoll anzuwenden weiß. Als Beispiel nehmen wir mal Vanillin - einen aus über 100 Stoffen, die in der Vanilleschote vorkommen und ihren charakteristischen Duft zum Großteil ausmacht.
Vanillin oder auch 4-Hydroxy-3-methoxybenzaldehyd.
Vanillin hat schon in kleinen Mengen einen deutlich wahrnehmbaren Geruch, der auch im Tonnenmaßstab nicht übermäßig aufdringlich wird, anders als beim literweisen Einsatz von Parfüm beispielsweise. Nun würden die meisten Menschen, würde man ihnen Vanillin (übrigens ein weißer Feststoff bei Raumtemperatur) in die Hand geben und sie in oben beschriebene Situation versetzen, wahrscheinlich anfangen, das Pulver im Raum zu verstreuen. Nicht so ein Chemiker! Der weiß nämlich, dass Duftstoffe, wie bereits erwähnt, leicht in die Gasphase übergehen müssen. Das wiederum kann nur an der Oberfläche passieren, die bei Feststoffen nunmal begrenzt ist. Beste Möglichkeit sie um viele  Größenordnungen zu maximieren ist, den Stoff zu lösen. Der kompetente Chemiker weiß (oder erkennt, sobald er noch mal auf das Sicherheitsdatenblatt der Substanz geschaut hat), dass es sich bei Vanillin um ein relativ simpel substituiertes Benzolderivat handelt, und schlussfolgert daher gekonnt, dass es ich wohl nicht gut in Wasser lösen lassen wird. Gut wäre jetzt z.B. Ethylacetat als Lösungsmittel, aber selbst wenn keins vorhanden ist (ich verweise wieder auf die Wichtigkeit des Grundstocks an Notfallchemikalien), greift man eben zur Vodkaflasche (wir erinnern uns, hier sollte ja später noch eine Party stattfinden) und löst das Vanillin eben in Ethanol. Dann wird die Lösung durch den Raumgesprenkelt, der Alkohol verdampft zügig und in einer Stunde riecht man weder Katze noch Vodka, sondern nur noch einen Hauch von Vanille.
Zuletzt möchte ich noch zwei Argumente vorbringen, warum ich der Meinung bin, dass der Staat für all das aufkommen sollte. Zum einen gibt es viel zu viele Menschen da draußen, die da Pech haben, in einem Umfeld geboren zu werden, dass ihnen eine angemessene Beschäftigung mit ihren Interessen und eine Ausbildung ihrer inhärenten Fähigkeiten drastisch erschwert oder sie gänzlich unmöglich macht. Es gibt so viele junge Menschen, die verblüffende Kreativität, unerschöpfliche Motivation und herausragendes Engagement zeigen, aber nichts davon nutzen können, weil ihnen die finanzielle Unterstützung fehlt, und später frustriert werden, wenn ihnen bewusst wird, was sie eigentlich hätten erreichen können...
Zum anderen beschweren sich glückliche Menschen weniger häufig, wenn sie z.B. mal wieder eine Steuererhöhung bezahlen müssen. Integriert man in das "Staatliche Chemiker Förderungsprogramm" noch den Ausbau des Hauskellers zum Syntheselabor (staatlich finanziert versteht sich), hat man auch direkt die Möglichkeit "Glücklichkeit in Pillen" in die Kommunen zu bringen...
Dieser Post soll deshalb mit einem Zitat Lenins enden:
[...] Opium für´s Volk!