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Montag, 25. März 2013

Warum Zahnpasta mich aufregt

Weil es sonst ja so überhaupt nicht meine Art ist, will ich diesen Post nutzen, um mal ordentlich rumzuquängeln. Worüber? Darüber, dass ich jedes Mal einen Anfall bekommen könnte, wenn irgendwo "chemisches Namedropping" betrieben wird, in der Hoffnung, das Gesagte dadurch auf irgendeine verquere Art und Weise glaubwürdiger zu machen - ironischer Weise oft derart, dass der gewählte Terminus zielstrebig am Thema vorbei geht. Oder, um das Ganze sogar noch zu übertreffen, die absolut fehlgeleitete Kleidung inhaltsleerer Phrasen in chemische Nomenklaturfetzen (oder zumindest das, was irgendwelche klugen Medientexter dafür halten), die bei mir regelmäßig eine Verstopfung der Herzkranzgefäße verursachen. An dieser Stelle bitte kein Beileid, denn die bieten mir immerhin einen lebenslangen Vorrat an - selbstverständlich - medizinische indiziertem Nitroglycerin.
Zuerst wäre da Zahnpasta. Es sollte bekannt sein, dass man zur Kariesprophylaxe und zur allgemeinen Stärkung des Zahnschmelzes (der im übrigen hauptsächlich aus Fluorapatit (Ca5[F|(PO4)3]) besteht und ohne Fluorid-Zufuhr mit der Zeit zu Hydroxylapatit (Ca5[OH|(PO4)3]) ausgewaschen wird. Letzteres ist nebenbei bemerkt Hauptbestandteil des Skeletts) fluoridhaltige Zahnpasta verwendet, kleinen Kindern sogar Fluoridtabletten gibt. Deshalb findet man auf der Packung die Angabe "fluoridhaltig", manchmal sogar etwas spezifischer als Natriumfluorid oder Ammoniumfluorid. Soweit so gut, da hab ich nichts zu beanstanden, aber dann kommt es auch vor (und ich werde nicht sagen, bei welchem Produkt, schließlich will ich keine Schleichwerbung für Elmex machen), dass da "enthält Aminfluorid" auf der Tube steht. Und das ist schlichtweg total dämlich... Sogar Wikipedia sagt dazu: 
Die Stoffgruppenbezeichnung "Aminfluorid" ist gebräuchlich, chemisch aber nicht korrekt.
Wikipedia weiß das, aber ein Unternehmen mit gut bezahlten Fachleuten bekommt das nicht geregelt? Nun hab ich mir selbst aber einen Bildungsauftrag erteilt und sollte auch erklären, wieso das - ich kann´s nicht oft genug sagen - schlichtweg total dämlich ist. Erstens: Wikipedia hat, recht. Aminfluorid ist keine (fachlich) korrekte Bezeichnung für das, was in der Zahnpasta ist. Zweitens: Man könnte Aminfluorid als chemisch sinnvoll auffassen, wenn damit ein fluoriertes Amin gemeint ist. Ich lehne mich aber mal aus dem Fenster und behaupte, dass das niemand in seiner Zahnpasta haben möchte, weil es zum einen wahrscheinlich nahezu keinen Effekt auf die Zahngesundheit hätte und zum anderen wie alle fluorierten organischen Verbindungen eine hohe Persistenz aufweisen würde, in deren Konsequenz sich die Substanz mit unabsehbaren chronischen Folgen im Körper durch Depotbildung anreichern könnte.Man sieht also: Die Hersteller tun ich selbst eigentlich keinen Gefallen an dieser Stelle ungründlich zu sein.
Zum Schluss sei noch gesagt, wie es korrekter Weise heißen sollte. Am eindeutigsten wäre es natürlich, den korrekten IUPAC Namen der Verbindung anzugeben, wie z.B. N-(2-hydroxyethyl)-N-(N',N'-bis-(2-hydroxyethyl)-aminopropyl)-octadecylamin-dihydrofluorid. Gut, ich gebe zu, dass das in der Umsetzung wohl eher unpraktisch wäre. Da müsste man wahrscheinlich die Zahnpastatuben verlängern, damit es überhaupt draufpasst. Alternativ könnte man die entsprechende Markenbezeichnung verwenden, die sich irgendein Marketing-Ass mit überbrodelnder Kreativität aus den Fingern gezogen hat. In diesem Fall wäre das "Olaflur". Hat zwar absolut keinen fachlichen Bezug zur eigentlich Substanz mehr, ist aber wenigstens noch eindeutig und spart einiges an Platz.
N-(2-hydroxyethyl)-N-(N',N'-bis-(2-hydroxyethyl)-aminopropyl)-octadecylamin-dihydrofluorid oder Olaflur
Allerdings könnte man hier den Eindruck gewinnen, dass die Zahnpasta gar kein Fluorid enthält, geht aus dem Namen ja nicht hervor. Da das Fluorid in diesen Substanzen formal als Flusssäure-Aggregat vorliegt, sollte korrekter Weise von Hydrofluoriden gesprochen werden (wie im offiziellen IUPAC Namen). Unter Reduktion auf die einzigen Gemeinsamkeiten aller dieser Stoffe, sozusagen als einfachste mögliche und zugleich weitgreifenste Stoffgruppenbezeichnung ergibt sich somit "Aminhydrofluorid". Überraschung! Die korrekte Bezeichnung unterscheidet sich nur durch zwei, wahrlich nicht all zu schwere Silben von dem Mumpitz, den man tatsächlich auf der Verpackung findet. Mal ehrlich: Wäre das so schwer gewesen? Shame on you, Mr. Zahnpastatubenbeschrifter!
Was man unter Umständen "Ethanolaminfluorid" nennen könnte...

Ethanolaminhydrofluorid

Attentat in Jugendherberge!

Egal wo man hinsieht, überall findet man gemeine, hinterlistige, böse Menschen. Das können plumpe Taschendiebe sein oder solche, die einen nach 50ct fragen, weil sie angeblich unbedingt eine Fahrkarte kaufen müssen und das Geld dann heimlich für Brötchen oder gar für etwas zu trinken ausgeben. Am verabscheuungswürdigsten sind aber die, die die kleinen wehrlosen Mitglieder unserer Gesellschaft angreifen, die ihren fehlgeleiteten Zorn auf unschuldige Kinderchen fokussieren. In solchen Fällen von zum Himmel schreiender Ungerechtigkeit sind wir Chemiker gefragt, als Retter des Rechts, als Ritter der Witwen und Waisen, als Rächer der Enterbten und als Richter derjenigen, die keine Rechtsschutzversicherung haben. Ich selbst bin einst Zeuge einer solchen Unmenschlichkeit geworden. Während eines Aufenthaltes in einer Jugendherberge mitten in Hessen (ja, ich weiß, aber ich konnte nichts dafür, ich musste dahin) sah ich, wie auf perfide Weise versucht wurde, eine Massenvergiftung zu verursachen.
Wie der Name "Jugendherberge" bereits suggeriert, handelt es sich bei der durchschnittlichen Kundschaft einer solchen Einrichtung um Jugendliche - soweit hätte das auch ein Sprachwissenschaftler wahrscheinlich hinbekommen. Aber noch ein bisschen weiter gedacht: Was können pubertierende Monster fast so gut, wie andere in den Wahnsinn treiben und somit ein fünftel des nationalen Jahresumsatzes an Psychopharmaka verantworten? Essen, und zwar reichlich. In den Mägen von jungen Leuten müssen temporäre Anomalien im Gravitationsgefüge herrschen, hormonregulierte Schwarze Löcher oder ähnliches, anders wären die Mengen an Nahrung die ein einzelnes Kindlein verdrücken kann, nicht zu erklären (und das ist eine völlig objektive Beschreibung der tatsächlichen Begebenheiten, und gibt nicht im Entferntesten meine eigenen Essgewohnheiten wieder). Aber zurück zum Punkt: Wer isst, muss auch trinken und wer schon mal Zeit in einer Jugendherberge verbracht hat, wird wissen, dass diese zu den letzten geheiligten Orten gehören, die noch nicht unter der Gewalt des amerikanischen Softdrink-Kartells stehen, ergo dass es meist nur Wasser gibt. Man muss keinen Master in marktwirtschaftlicher Kriegsführung haben, um zu erraten, dass die deutliche Mehrzahl der H2O-Absorbenten, wenn sie denn die Wahl hat, zu jenem Wasser greifen wird, das zuvor "karbonisiert" wurde. - Kurzer Ausflug in den Purismus: Karbonisieren ist nicht nur ein böses Wort, weil Duden die Schreibweise mit "k" vorgibt, was schlichtweg für die Abwesenheit von jeglichem Hintergrundwissen zum chemischen Kontext spricht, sondern weil es eigentlich ein, wie ich finde, völlig inhaltsfreies Wort ist, da sich nicht in die übliche Nomenklatur für Kohlenstoffverbindungen einbinden lässt. Exkurs beendet. - Jetzt nochmal alles in einem Satz: Die meisten Menschen in Jugendherbergen trinken Sprudelwasser. Und genau hier setzt die Perversität der Massenvergiftung ein. Üblicherweise geschieht das "Aufsprudeln" (ja, ich werde es ab jetzt vermeiden, dass böse Wort mit K zu benutzen) durch das Lösen von Kohlenstoffdioxid (CO2).
Wie der aufmerksame Beobachter sicher schon bemerkt hat, war das in dieser Jugendherberge allerdings nicht der Fall. Hier wurde Kohlenstoffmonooxid (CO) verwendet. Man ist nun vielleicht geneigt anzunehmen, dass die Änderung im Index keine große Veränderung mit sich zieht, ist ja schließlich nur eine kleine zwei und nicht etwa eine mittlere zwei oder gar eine große... Weit gefehlt!!! Durch das Wegfallen des Index' wird aus dem Gas, das dem Wasser zuvor ein erfrischendes Prickeln verleihen sollte, ein hoch potentes Gift, dass innerhalb von Minuten zum Tod durch Ersticken führen kann. Ein Glück, dass das kriminelle Genie hinter dem ganzen Plan offensichtlich ein Liebhaber der guten Laborpraxis ist und eine korrekte Beschriftung vorgenommen hat, sonst hätte man diese Arglist vielleicht nie aufgedeckt.