Weil es sonst ja so überhaupt nicht meine Art ist, will ich diesen Post nutzen, um mal ordentlich rumzuquängeln. Worüber? Darüber, dass ich jedes Mal einen Anfall bekommen könnte, wenn irgendwo "chemisches Namedropping" betrieben wird, in der Hoffnung, das Gesagte dadurch auf irgendeine verquere Art und Weise glaubwürdiger zu machen - ironischer Weise oft derart, dass der gewählte Terminus zielstrebig am Thema vorbei geht. Oder, um das Ganze sogar noch zu übertreffen, die absolut fehlgeleitete Kleidung inhaltsleerer Phrasen in chemische Nomenklaturfetzen (oder zumindest das, was irgendwelche klugen Medientexter dafür halten), die bei mir regelmäßig eine Verstopfung der Herzkranzgefäße verursachen. An dieser Stelle bitte kein Beileid, denn die bieten mir immerhin einen lebenslangen Vorrat an - selbstverständlich - medizinische indiziertem Nitroglycerin.
Zuerst wäre da Zahnpasta. Es sollte bekannt sein, dass man zur Kariesprophylaxe und zur allgemeinen Stärkung des Zahnschmelzes (der im übrigen hauptsächlich aus Fluorapatit (Ca5[F|(PO4)3]) besteht und ohne Fluorid-Zufuhr mit der Zeit zu Hydroxylapatit (Ca5[OH|(PO4)3]) ausgewaschen wird. Letzteres ist nebenbei bemerkt Hauptbestandteil des Skeletts) fluoridhaltige Zahnpasta verwendet, kleinen Kindern sogar Fluoridtabletten gibt. Deshalb findet man auf der Packung die Angabe "fluoridhaltig", manchmal sogar etwas spezifischer als Natriumfluorid oder Ammoniumfluorid. Soweit so gut, da hab ich nichts zu beanstanden, aber dann kommt es auch vor (und ich werde nicht sagen, bei welchem Produkt, schließlich will ich keine Schleichwerbung für Elmex machen), dass da "enthält Aminfluorid" auf der Tube steht. Und das ist schlichtweg total dämlich... Sogar Wikipedia sagt dazu:
Die Stoffgruppenbezeichnung "Aminfluorid" ist gebräuchlich, chemisch aber nicht korrekt.Wikipedia weiß das, aber ein Unternehmen mit gut bezahlten Fachleuten bekommt das nicht geregelt? Nun hab ich mir selbst aber einen Bildungsauftrag erteilt und sollte auch erklären, wieso das - ich kann´s nicht oft genug sagen - schlichtweg total dämlich ist. Erstens: Wikipedia hat, recht. Aminfluorid ist keine (fachlich) korrekte Bezeichnung für das, was in der Zahnpasta ist. Zweitens: Man könnte Aminfluorid als chemisch sinnvoll auffassen, wenn damit ein fluoriertes Amin gemeint ist. Ich lehne mich aber mal aus dem Fenster und behaupte, dass das niemand in seiner Zahnpasta haben möchte, weil es zum einen wahrscheinlich nahezu keinen Effekt auf die Zahngesundheit hätte und zum anderen wie alle fluorierten organischen Verbindungen eine hohe Persistenz aufweisen würde, in deren Konsequenz sich die Substanz mit unabsehbaren chronischen Folgen im Körper durch Depotbildung anreichern könnte.Man sieht also: Die Hersteller tun ich selbst eigentlich keinen Gefallen an dieser Stelle ungründlich zu sein.
Zum Schluss sei noch gesagt, wie es korrekter Weise heißen sollte. Am eindeutigsten wäre es natürlich, den korrekten IUPAC Namen der Verbindung anzugeben, wie z.B. N-(2-hydroxyethyl)-N-(N',N'-bis-(2-hydroxyethyl)-aminopropyl)-octadecylamin-dihydrofluorid. Gut, ich gebe zu, dass das in der Umsetzung wohl eher unpraktisch wäre. Da müsste man wahrscheinlich die Zahnpastatuben verlängern, damit es überhaupt draufpasst. Alternativ könnte man die entsprechende Markenbezeichnung verwenden, die sich irgendein Marketing-Ass mit überbrodelnder Kreativität aus den Fingern gezogen hat. In diesem Fall wäre das "Olaflur". Hat zwar absolut keinen fachlichen Bezug zur eigentlich Substanz mehr, ist aber wenigstens noch eindeutig und spart einiges an Platz.
N-(2-hydroxyethyl)-N-(N',N'-bis-(2-hydroxyethyl)-aminopropyl)-octadecylamin-dihydrofluorid oder Olaflur |
Was man unter Umständen "Ethanolaminfluorid" nennen könnte... |
Ethanolaminhydrofluorid |